Wohnbetreuung

Mitarbeiter*innen der Wohnbetreuung erinnern sich an die ersten Wochen in der Gründungsphase des Integrationshauses.
GUTE ZEITUNG: Wie war denn die Stimmung bei der Eröffnung des Integrationshauses im Jahr 1995?
LYDIA: Die Menschen, die damals zu uns gekommen sind, haben meist in sehr prekären Situationen gelebt und sie waren irrsinnig froh, hier ihre eigenen vier Wände zu haben. Ljubo und ich sind damals in die Unterbringungen gefahren und haben viele Interviews geführt, um zu klären, wen wir im Integrationshaus aufnehmen wollen: vor allem traumatisierte Personen mit intensiverem Betreuungsbedarf, aber auch mit Integrationswillen. Also Menschen, die hierbleiben wollten.
LJUBO: Ich bin praktisch direkt von Innsbruck ins Integrationshaus gekommen, um dort zu arbeiten. Ich hatte Erfahrung in der Beratungsarbeit, aber hier war es mehr ein Wohnprojekt, die Leute kamen und gingen nicht, sondern wir waren diejenigen, die zu ihnen nach Hause zur Arbeit kamen. Es war ihr Haus, auch wenn wir es verwalteten. Und das ist meines Erachtens bis heute ein wesentliches Merkmal dieses Raumes hier.
LYDIA: Die eigentliche Eröffnung des Hauses war dann erst im Herbst. Wir wollten die Leute im Juni einmal ganz ohne Trubel ankommen lassen. Und im Vorfeld gab es auch viel Aufruhr in der Wohnumgebung, weil da plötzlich Flüchtlinge kommen sollten. Als wir dann erst drei Monate später offiziell eröffnet haben, war das für viele eine große Überraschung, weil sie vorher gar nichts mitbekommen hatten. Da gab es dann schon ein großes Umdenken.
BEATE: Ich bin dann nach dem Sommer zum Team gestoßen. Und es war einfach eine enorm euphorische Stimmung im ganzen Haus, mit sehr viel Tatendrang. Es war das erste Mal, dass erkannt wurde, dass Geflüchtete mehr brauchen als nur Essen und ein Dach über dem Kopf, sondern auch psychosoziale Betreuung. Das kann so viel bewirken! Und auch für die Eingezogenen war es etwas ganz Neues. Die meisten kamen aus großen Lagern und jetzt hatten sie plötzlich einen eigenen Bereich und einen eigenen Schlüssel.
Ich bin gleich bei den Kindern eingestiegen. Eigentlich war es eine Kinderbetreuung für bereits eingeschulte Kinder. Es waren hauptsächlich Kinder zwischen sechs und fünfzehn Jahren, alle haben hier im Haus gewohnt. Anfangs war es nur eine Nachmittagsbetreuung und wurde dann immer mehr auch zu einer psychologischen Betreuung. Es ging um einen Ort, wo man Hausaufgaben machen, aber auch spielen kann. Mit den Spielen konnte dann viel aufgearbeitet werden. Denn natürlich sind auch die Kinder traumatisiert durch einen Krieg!
GUTE ZEITUNG: Woran erinnert ihr euch besonders?
LYDIA: Ich erinnere mich besonders an ein Gespräch mit einem jungen Asylwerber, der wirklich schon lange Zeit sehr prekär untergebracht war. Er hat mich dann gefragt: „Ich verstehe nicht, wieso sie (die Behörden) mir nicht glauben? Ich würde mir doch dieses Leben hier nicht antun, wenn ich keinen Grund hätte zu flüchten!“
BEATE: Wir wollten den Kindern möglichst viel Normalität und Spaß geben. Highlights waren dann immer gemeinsame mehrtägige Ausflüge, z.B. an den Neusiedlersee, oder Skiwochen. Und schön war es natürlich, dass der Willi (Resetarits) uns gerade in der Anfangszeit oft besucht hat, um zu schauen, wie es uns geht.
LJUBO: Ich erinnere mich, in einem Gespräch hat einmal ein Herr N., ein Flüchtling aus dem Balkan, zu mir gesagt: „Ljubo, denk dran, im Leben kann man alles abwaschen und wieder sauber bekommen, nur die schlechten Worte, die man einmal gesagt hat, die kann man nie mehr abwaschen.“ Ich weiß nicht, wohin das Schicksal Herrn N. verschlagen hat, ob er noch lebt. Aber seine Worte habe ich heute noch im Ohr. Ich glaube, ich habe von ihm und anderen in diesem Haus sehr sehr viel gelernt.“
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