Interview

Im Gespräch mit den Leiterinnen der Wohnbetreuung und der Beratungsstelle

GZ: Der UNHCR definiert „ältere Geflüchtete“ mit einem Alter über 60 Jahren. Wie viele ältere Menschen betreut und berät das Integrationshaus derzeit?

LYDIA: Im Wohnheim sind es derzeit 12 Menschen, das sind etwas mehr als 10 % der Bewohner*innen. Das war auch schon ganz am Anfang so, mit den Geflüchteten aus Bosnien. Da kamen oft Familien mit drei Generationen. Das bemerken wir auch jetzt bei der Ukraine. Das hängt wohl viel mit den Flucht-wegen zusammen. Wenn es über den weniger gefährlichen Landweg möglich ist, geht oft die ganze Familie. Je gefährlicher die Fluchtroute, desto eher kommen Einzelpersonen, um dann vielleicht die Familie nachholen zu können. Oft ist das aber auch einfach eine Kostenfrage, und die Flucht der am meisten bedrohten Person einer Familie wird gemeinsam finanziert.

LUCIA: In den letzten drei, vier Jahren waren bei uns in der Beratungsstelle weniger ältere Menschen, seit dem Krieg in der Ukraine sind es deutlich mehr geworden. Aber auch Personen aus anderen Ländern sind inzwischen in Österreich schon gealtert, zum Beispiel Personen aus Afghanistan oder der russischen Föderation. Und es gibt immer wieder minderjährige Geflüchtete, die ihre Eltern nachholen, nachdem sie Asyl bekommen haben. Auch die können oft schon älter sein.

GZ: Was sind die besonderen Herausforderungen bei älteren Menschen?

LYDIA: Hauptsächlich die Gesundheit. Auf der Flucht ist die medizinische Versorgung meist schlecht oder gar nicht gegeben, gleichzeitig ist der Körper im Überlebensmodus. Beim Ankommen brechen dann Krankheiten erst (wieder) aus, wir sind hier oft mit multiplen Gesundheitsthemen konfrontiert. Dazu kommen dann psychische Probleme wie Depressionen und Einsamkeit, weil der gewohnte ]Familien zusammen halt fehlt, die Familien sind ja oft über die ganze Welt verteilt. Ein anderes Thema ist die Perspektivenlosigkeit mit den Herausforderungen einer neuen Sprache, einem neuen Land, fehlender Arbeitsmöglichkeit. Oft stellt sich die Frage: Ich habe alles hinter mir gelassen, was habe ich hier noch für Perspektiven?

LUCIA: Ein großes Problem ist, dass diese Menschen in der Grundversorgung sind und aus dem System nicht mehr herauskommen, weil einfach das Einkommen fehlt. Auch ein anderer Aufenthaltstitel, wie etwa ein Daueraufenthalt, ist dadurch nicht möglich. Es ist schwer für ältere Menschen, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen und auch einen Job mit ausreichendem Verdienst zu finden. Mit einem Daueraufenthalt könnten sie aber zumindest eine Gemeindewohnung und die Mindestsicherung be kommen.

GZ: Was tut das Integrationshaus speziell für diese Zielgruppe?


LYDIA: Wir versuchen genau zu schauen, wo es Anknüpfungspunkte gibt, wo die Interessen liegen. So haben wir eine wöchentliche Frauengruppe, wo gemeinsam genäht wird oder Ausflüge gemacht werden. Aber es sind vor allem einzelpsychologische Gespräche. Depressionen machen inaktiv, und da versuchen wir, die Menschen herauszuholen. Allgemein müsste man viel mehr darüber nachdenken, welche altersspezifischen Angebote es braucht, vor allem auch im Gesundheitssystem.

LUCIA: Seit Juli 2024 haben wir in der Beratungsstelle einen neuen Schwerpunkt „Gesundheit“, wo wir uns unter anderem mit der Frage von Pflege und Unterstützungsleistungen beschäftigen. Wir informieren bei unseren Vernetzungstreffen oder in unseren Berichten an Entscheidungsträger*innen über die Hürden dieser speziellen Gruppe und fordern mehr Angebote. Ziel ist es auch, über Seniorenheime vielleicht mehr Kontaktmöglichkeiten zu schaffen. Der Kampf gegen die Vereinsamung ist auch bei uns ein großes Thema. Das betrifft aber nicht nur Geflüchtete.

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