Geschichten

Drei Geschichten aus dem Integrationshaus
Herr Abdalmoula ist 62 und stammt aus Syrien. Er ist 2022 nach Österreich gekommen, seine Frau und drei Kinder, zwei davon minderjährig, sind noch in der Türkei. Auf den beschwerlichen Weg wollte er sie nicht mitnehmen, sondern später auf sicherem Wege nachholen. Kurz nach seiner Ankunft in Österreich hatte er gesundheitliche Beschwerden, er bekam eine Krebsdiagnose, eine ständige gesundheitliche Versorgung ist seither notwendig. In seinem Alter und mit all den Sorgen ist es für ihn schwer, Deutsch zu lernen. In Syrien war er schon in Pension, hier eine Arbeit zu finden wird nicht mehr möglich sein. Er wohnt jetzt in einer Wohngemeinschaft mit anderen Syrern, aber seine Familie fehlt ihm enorm. Ein Antrag auf Familienzusammenführung ist gestellt, nur das wird dauern. Als subsidiär Schutzberechtigter darf er seine Familie erst nach drei Jahren nachholen, und nur, wenn er auch genug Einkommen und ausreichend Wohnplatz nachweisen kann. Und dann auch nur seine Frau und minderjährige Kinder. Er ist mittlerweile traumatisiert durch das Alleinsein. „Ich möchte das, was von meinem Leben übrig ist, mit meiner Familie verbringen“, sagt er am Ende des Gesprächs.
Oleksandr (66) und Iryna (68) kommen aus der Ukraine. Sie waren bereits pensioniert, als der Krieg ausbrach. Oleksandr hat 24 Jahre als Koch und Fleischhauer gearbeitet, zuletzt in der Kantine in einem chemischen Werk. Iryna war 45 Jahre Krankenschwester in der Neuropathologie, nach dem Ausbruch von Corona wurde sie wie viele auf den Lungenbereich umgeschult. Sie war erst drei Monate in Pension, als sie nach den ersten Schüssen ihre Heimat verlassen musste. Mit ihrer Tochter und zwei Enkelkindern kam sie über Tschechien nach Österreich. Oleksandr blieb noch zurück, erst als die nahe stillgelegte Militärfabrik bombardiert wurde, schwarzer Rauch die ganze Umgebung vernebelte, und russische Truppen nur mehr neun Kilometer entfernt waren, machte auch er sich auf den Weg nach Österreich zu seiner Familie. „Es geht mir gut“, sagt Oleksandr, „aber wir brauchen schnell Frieden in der Ukraine, wir möchten nach Hause zurückkehren.“ Noch steht ihr Haus, aber vieles in der Umgebung ist bereits zerstört, es gibt stündlich Bombenalarm.
In Österreich ist das größte Problem die Verständigung. Auch wenn Oleksandr schon einiges Deutsch gelernt hat, ist gerade in medizinischen Belangen die Kommunikation sehr schwer. Seine Frau kämpft mit gesundheitlichen Problemen. Aber er möchte sich auf jeden Fall bei den vielen Menschen bedanken, die ihn und seine Familie bis hierher unterstützt haben. „Aber wir brauchen die Rückkehr in unsere Heimat“, sagt Oleksandr am Ende des Gesprächs, Iryna stimmt traurig nickend zu.
Mustafa kommt aus Syrien. Er ist jetzt 68 Jahre alt. In Aleppo hatte er nach dem Ökonomiestudium ein Bekleidungsgeschäft und war im Import und Export von Baumwolle tätig. Nach Kriegsbeginn 2011 hat er es so lange ausgehalten wie möglich. Doch dann wurden viele seiner Freunde getötet, es gab kein Wasser mehr, kein Benzin. Er brachte seine Frau in Sicherheit und machte sich auf die gefährliche Flucht nach Europa. Er wollte nach Österreich. In der Kindheit hat er mit seinen Eltern oft den Film „Sound of Music“ gesehen, und er hatte Wien schon öfter besucht. „Als alter Mann wollte ich in eine schöne, saubere Stadt“, erzählt er. In Österreich angekommen war er zuerst im Burgenland untergebracht; nachdem er subsidiären Schutz erhalten hatte, kam er nach Wien und zog in eine kleine Wohnung. Er begann Deutsch zu lernen, aber das wurde zunehmend schwerer, weil sein Gehör immer schlechter wurde. Aber ohne ein gewisses Sprachniveau konnte er keinen Daueraufenthalt bekommen. Erst ein ärztliches Attest seiner Schwerhörigkeit ermöglichte die Ausnahme, und er darf nun hierbleiben.
Mit Hilfe seines Betreuers Naser im Integrationshaus und dem Roten Kreuz versuchte er, seine Frau nach Österreich zu holen. Alle Dokumente waren eingereicht, seine Frau hatte bereits alles aufgegeben und ein Flugticket besorgt, weil das Visum nur mehr Formsache schien. Doch dann wurde es kurzfristig abgelehnt, Mustafa begreift bis heute noch nicht, wieso. Seine Frau ließ sich scheiden, sie glaubte ihm nicht, dass er sie nachholen möchte. Jetzt bleibt ihm nur mehr seine Arbeit im Lager eines Lebensmittelkonzerns. Trotz seines hohen Alters möchte er weiter arbeiten. „Ich möchte keine Sozialhilfe, ich möchte mein Geld mit meinen eigenen Händen verdienen“, sagt er. In der wenigen Freizeit ist er oft mit seinem Kulturpass unterwegs, vor allem in Museen. Oder er geht mit seinem Freund in die Berge. Sein Wunsch für die Zukunft: weiter arbeiten und gesund bleiben.
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