Weltflüchtlingstag 2021

Katharina Stemberger, Schauspielerin und langjährige Vorstandsvorsitzende des Integrationshauses

Katharina Stemberger, Schauspielerin und Festival-Intendantin, setzt sich seit Jahrzehnten für geflüchtete Menschen ein. Als Vorstandsvorsitzende des Integrationshauses und Initiatorin der Initiative „Courage“ kann sie nicht zusehen, wie der Mantel der Menschlichkeit und Solidarität in Österreich und an Europas Außengrenzen abgegeben wird. Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni haben wir sie zu einem Gespräch gebeten:  

Liebe Katharina, der Weltflüchtlingstag 2021 wird dieses Jahr von einem traurigen Rekord überschattet. Über 80 Millionen Menschen fliehen vor Krieg, Terror, Gewalt, Naturkatastrophen und anderen lebensbedrohlichen Gefahren. So viele wie noch nie zuvor. Wie kann man diesen Menschen Deiner Meinung nach bestmöglich helfen? 
Menschen fliehen aus Angst um ihr Leben und trennen sich damit von allem, was ihnen bisher bekannt und lieb war: von ihrer Familie, ihrer Kultur, ihrer Heimat und ihrer Sprache. Diese Menschen benötigen schnellstmögliche Unterstützung und Gewissheit, sich in einem sicheren Land wieder ein selbständiges Leben aufbauen zu können. Es ist jedoch ein völlig fremdes Land für sie, daher benötigen geflüchtete Menschen von Anfang an gezielte Hilfe. In einer großen Flüchtlingseinrichtung mit Mehrbettenzimmern wird das nicht gelingen. Es braucht ab Tag eins für die Betroffenen Unterkünfte mit ausreichender Betreuung, Deutschkursangebote und vor allem auch unabhängige Beratung zu sozialen und juristischen Fragen. Doch die österreichische Politik verhindert durch Verschärfungen, dass alle Geflüchteten diese Starthilfe für ein selbständiges Leben bekommen können.  

Wie geht das Integrationshaus damit um? Kann trotz dieser menschenfeindlichen Politik noch qualitätsvolle Beratung und Betreuung für Geflüchtete aufrechterhalten werden? 
Ja, durch die Unterstützung ganz, ganz vieler engagierter Menschen: denn Spenden helfen uns, unsere qualitätsvolle Arbeit auch unabhängig von öffentlichen Fördergebern aufrecht zu erhalten. Und wir werden jährlich von gut 200 freiwilligen Mitarbeiter*innen unterstützt, deren Engagement unseren Bewohner*innen und Kursteilnehmer*innen zeigen, dass es genug Menschen in Österreich gibt, die ihnen auf dem Weg in ein selbstständiges Leben helfen. Ein wunderbares Beispiel ist die Lernförderung für die Schulkinder, die im Integrationshaus wohnen. Während der Corona-Lockdowns übernahmen freiwillige Mitarbeiter*innen die Unterstützung beim Homeschooling. Dadurch blieben auch die geflüchteten Kinder in der Schule am Ball.  

Was denkst du dir, wenn Flüchtlingskinder in der Nacht abgeschoben werden?
Dieses menschenverachtende Vorgehen macht mich wahnsinnig wütend. Es werden auch in diesem Falle die internationalen Kinderrechte mit Füßen getreten. So, wie bei den Flüchtlingskindern, die in Griechenland mit ihren Familien in den katastrophalen Lagern festsitzen. Wir, das sichere Österreich, sind dringendst gefordert, egal ob hier in Österreich oder in der europäischen Flüchtlingspolitik für Kinder das besondere Recht auf Hilfe und Schutz sicherzustellen.

Verantwortliche Politiker*innen in Österreich meinen, dass wir ja nicht alle Flüchtlinge aufnehmen können. Was antwortest du darauf?
Österreich ist Teil von Europa und bekennt sich somit auch zu den Menschenrechten und der Genfer Flüchtlingskonvention. Menschlichkeit und Solidarität sind Werte, die wir gerne für uns in Anspruch nehmen. Doch der Umgang mit Flüchtlingen und die Abschottung Europas gegenüber Menschen, die aus Verzweiflung und Angst um ihr Leben fliehen müssen, zeigt, dass diese Grundhaltungen in Gefahr sind. Österreich kann sehr wohl Flüchtlinge aufnehmen und ihnen beim Wiederaufbau eines selbstständigen Lebens helfen. Und Österreich kann sehr wohl eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der europäischen Flüchtlingspolitik im Sinne der Solidarität und Menschlichkeit spielen – man muss es nur wollen.

Was wären aktuell wichtige Schritte, die die österreichische Politik in der Flüchtlings- und Integrationspolitik setzen sollte?
Menschlichkeit und Solidarität müssen in der Asyl- und Integrationspolitik endlich wieder etwas Wert sein. Dazu gehört allen voran ein faires Asylverfahren, damit Asylsuchende nicht jahrelang auf Entscheidungen warten müssen. Asylwerber*innen fehlt auch oft ein einfacher Zugang zu Beratungs- und Bildungsangeboten, um sich schnellstmöglich in ihrer Umgebung zurecht finden zu können. Die türkis-blaue Regierung riss 2018 beispielsweise subsidiär Schutzberechtigten den finanziellen Grundstock unter den Füßen weg, indem sie ihnen das Recht auf Mindestsicherung entzog. In der österreichischen Asylpolitik fehlen Menschlichkeit und Solidarität mit Schutzbedürftigen – das muss endlich aufhören.

Das Interview und weitere Geschichten aus dem Integrationshaus gibt es in der aktuellen Ausgabe der GUTEN ZEITUNG 

 

Zurück

Archiv Menü