offener Brief an die Bundesregierung

Das Integrationshaus entstand vor 27 Jahren aufgrund des Bürgerkriegs in Bosnien. Damals funktionierte humanitäre Hilfe gut und schnell. Und nichts Anderes fordern wir jetzt – und zwar für ALLE Schutzsuchenden, unabhängig davon, mit welcher Nationalität sie aus Kriegsgebieten flüchten müssen!
 
Menschenrechte und Menschlichkeit müssen immer vor politischem Kalkül stehen, Solidarität mit Menschen in Not ist das Gebot der Stunde! Gemeinsam mit über 90 Organisationen haben wir diesen offenen Brief an die Bundesregierung mitunterschrieben:
 

Über 90 NGOs, Initiativen und Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft haben einen offenen Brief an die Regierung gestartet: „Krieg ist Krieg. Mensch ist Mensch.“ Sie fordern die Gleichbehandlung und den Schutz von allen aus der Ukraine Geflüchteten und warnen vor einem „Zwei-Klassen-Asylsystem“ und einer zunehmenden Spaltung zwischen „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten.

Sehr geehrter Herr Innenminister Karner,
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Nehammer,
Sehr geehrter Herr Vizekanzler Kogler,

wir sind überwältigt vom Einsatz der Menschen aus der Zivilgesellschaft, die Geflüchtete aus der Ukraine mit so viel Engagement und Herz in Österreich willkommen heißen. Wir anerkennen die schnelle und unbürokratische Hilfe von staatlichen Stellen. Wir sind allerdings auch zutiefst besorgt über den aktuellen Diskurs in der Asylpolitik und die rassistische Behandlung von schutzsuchenden Menschen in Europa.

In nur sieben Tagen sind laut UNHCR über eine Million Menschen vor dem brutalen Angriffskrieg der russischen Armee aus der Ukraine geflüchtet. Im Gegensatz zu ukrainischen Schutzsuchenden, wurden Studierende aus Nigeria, Ghana, Ägypten, dem Jemen, Indien und anderen Ländern an der Einreise in die EU gehindert, schikaniert und mit Gewalt bedroht. Tagelang mussten Menschen aus der Black Community und People of Color und Sinti:zze und Rom:nja in eisiger Kälte und ohne Essen im Freien ausharren und wurden dabei von Beamt:innen und Soldat:innen rassistisch beschimpft.

In Österreich befeuert man diesen strukturellen Rassismus, indem man Menschen in „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete trennt und zwischen „Europäerinnen und Europäer, die nachbarschaftlichen Schutz brauchen“ und „klassischen Flüchtlingen“ unterscheidet. In Deutschland wird mit antimuslimischem Unterton von Menschen „aus dem europäischen Kulturkreis“ im Gegensatz zu „ungebildeten“ Menschen, die 2015 nach Europa geflüchtet sind, gesprochen.

Wir begrüßen die Entscheidung der EU-Innenminister:innen, geflüchteten Menschen rasch und unkompliziert Schutz in der EU zu gewähren. Leider schließt der Beschluss jedoch Drittstaatsangehörige, die einen Daueraufenthaltstitel in der Ukraine hatten und die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, sowie Studierende aus Drittstaaten aus oder knüpft die Gewährung eines vorübergehenden Schutzes an unpraktikable und bürokratische Hürden. Es darf nicht sein, dass wir rassistische Spaltung zwischen Geflüchteten verstärken und auf Dauer ein Zwei-Klassen-Asylsystem schaffen. Stattdessen müssen wir jetzt alles dafür tun, Menschenleben zu retten und diesen zumindest vorübergehend Sicherheit und eine Perspektive zu bieten, unabhängig davon, welchen Pass jemand bei sich trägt.

Bomben machen keinen Unterschied zwischen Hautfarbe, Religion oder Staatszugehörigkeit. Wo ist der Unterschied zwischen einer Studierenden aus Kamerun, einer ukrainischen Mutter mit ihren Kindern oder einem Asylberechtigten aus Belarus, die alle aus Charkiw vor Putins Menschenrechtsverbrechen Schutz suchen? Geflüchtete und mit ihnen Solidarische verlangen zu Recht die Gleichbehandlung von allen Menschen auf der Flucht.

Wir fordern von der österreichischen Bundesregierung, den Gleichbehandlungsgrundsatz und das universelle Recht auf Asyl zu wahren. Alle Menschen müssen Zugang zu Krankenversicherung, psychologischer Betreuung, Arbeitsmarkt und Bildung haben. Die rassistische Unterscheidung zwischen Schutzsuchenden muss beendet werden. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf Schutz vor Krieg, Verfolgung und aus existenzbedrohenden Gründen.

  • Kein strukturelles Zwei-Klassen-Asylsystem
  • Gleichbehandlung aller aus der Ukraine Geflüchteten: Aufnahme von Schutzsuchenden unabhängig von Herkunft, Pass, Hautfarbe, sexueller Orientierung und Gender-Identität
  • Ausweitung des temporären Schutzes auf alle aus der Ukraine flüchtenden Drittstaatsangehörigen (inklusive Studierende), insbesondere Asylsuchende in der Ukraine, durch eine nationale Verordnung
  • Sicherstellung von medizinischer und psychologischer Versorgung für alle
  • Zugang zu Mindestsicherung, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Schulen und Universitäten
  • Über den temporären Schutz hinaus die Schaffung einer Bleibeperspektive

Krieg ist Krieg.
Mensch ist Mensch.

Wien, am 8. März 2022

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