Integrationshaus kritisiert Entwurf zum Sozialhilfe-Grundgesetz scharf

"In meinen Augen ist es höchst fahrlässig und kurzsichtig, Menschen in unserem Land, die aus welchen Gründen auch immer auf die letzte existenzielle Absicherung angewiesen sind, diese stark zu reduzieren oder gar den Zugang zu verunmöglichen. Damit wird kein einziges Problem gelöst, sondern viele neue Probleme geschaffen. Leidtragend sind die Menschen und vor allem ihre Kinder, die sich nur schlecht wehren können, die keine schicke Lobby hinter sich wissen. Vom Standpunkt einer gelingenden Integration lassen diese Verschärfungen zwei Dinge erkennen: mangelndes Wissen, was es braucht, damit Integration für alle gut funktioniert und eine bewusst herbeigeführte Destabilisierung des sozialen Friedens in unserem Land. Ich befürchte, das ist beabsichtigt“, meldet sich Katharina Stemberger, Vereinsvorsitzende des Integrationshauses, zum Sozialhilfe- Grundsatzgesetz zu Wort. Das Integrationshaus ist ein Kompetenzzentrum in den Bereichen Flucht und Integration. Seit fast 25 Jahren werden geflüchtete Menschen mit betreuten Wohnplätzen, psychosozialer und rechtlicher Beratung und mit Bildungsangeboten beim Spracherwerb sowie bei der Arbeitsmarktintegration unterstützt.

Rückschritt in der Armutsbekämpfung

Der vorliegende Entwurf stellt einen massiven Rückschritt in der Armutsbekämpfung dar und zielt darauf ab, Geflüchtete und Migrant*innen im Bereich der Sozialhilfe gravierend schlechter zu stellen. Dies geschieht einerseits offen im Bereich der Reduzierung der Sozialhilfe auf die minimalen Kernleistungen der Grundversorgung für subsidiär Schutzberechtigte, aber auch durch die Streichung von mehr als einem Drittel der Leistungen bei Nichtbestehen von Deutschprüfungen. Es geschieht jedoch auch verdeckt – und trifft hier sowohl Personen mit als auch ohne Migrationshintergrund – indem die Leistungen für kinderreiche Familien massiv reduziert werden.

Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten

Subsidiär Schutzberechtigte sollen zukünftig nur noch Leistungen in der Höhe der Grundversorgung erhalten. Sie haben ihr Land aus Furcht um Leib und Leben verlassen und können nicht zurückkehren. Diesen Menschen, denen von einer Behörde bzw. einem Gericht bescheinigt wurde, Schutz zu benötigen, zu unterstellen, dass sie zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach Österreich geflüchtet sind, scheint mehr als zynisch und widerspricht auch fundierten Expertisen.

„Subsidiär Schutzberechtigte, die derzeit Mindestsicherung beziehen, würden durch die neuen Regelungen nur noch Euro 365 im Monat erhalten. Viele Betroffene könnten die Miet- und Energiekosten nicht mehr bezahlen und die gravierenden Folgen wären Obdachlosigkeit und erneut Unterbringung in organisierten Quartieren. Dies wäre im Sinne einer Verselbstständigung vollkommen widersinnig. Eine Umsetzung der aktuellen Vorschläge würde viele subsidiär Schutzberechtigte bewusst in bitterste Armut treiben und widerspricht Artikel 23 der Genfer Flüchtlingskonvention“, kritisiert Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses.

Kritik an der Verknüpfung der Sozialhilfe mit Sprachkenntnissen und Bildungsabschlüssen

Weiters sieht der vorliegende Entwurf vor, dass 35% der Leistung der Sozialhilfe von der Vermittelbarkeit auf dem österreichischen Arbeitsmarkt abhängig ist. Dabei sind die Richtsätze so knapp bemessen, dass die Leistung nicht mehr existenzsichernd ist. Die Vermittelbarkeit gilt als erfüllt, wenn Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) und der Abschluss von Qualifikationsmaßnahmen oder eine Integrationserklärung oder Integrationsvereinbarung und ein Werte- und Orientierungskurs nachgewiesen werden.

Das Integrationshaus lehnt eine Verknüpfung von Sprachkenntnissen bzw. Bildungsabschlüssen als Anspruchsvoraussetzung für Sozialhilfe entschieden ab. Die vorgeschlagene Regelung widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention und der Statusrichtlinie. Obwohl intendiert ist, dass alle Sozialhilfebezieher*innen – auch österreichische Staatsbürger*innen - die Voraussetzungen erfüllen müssen, ist naheliegend, dass geflüchtete Menschen wesentlich höhere Hürden zu überwinden haben. Für diese wird über das Erfordernis der B1 Prüfung eine Wartefrist eingeführt. „Diese kann sehr unterschiedlich lang sein und hängt vom mitgebrachten Bildungs­stand und den individuellen Voraussetzungen und Lernerfahrungen ab. Die Erfahrungen des Integrationshauses bei der Durchführung von Deutschkursen zeigen, dass es bei nicht in Deutsch alphabetisierten Menschen im Durchschnitt 1,5 Jahre dauert  (bis zu 1500 Stunden), ein Sprachniveau auf B1 zu erreichen. Bei bereits alphabetisierten Personen dauert dieser Prozess im Durchschnitt ein Jahr. Oft können geflüchtete Menschen diese Lernziele trotz großer Bemühungen aufgrund hinderlicher Lebensumstände nicht erreichen“, berichtet Eraslan-Weninger und fordert eine ersatzlose Streichung der Anspruchsvoraussetzungen von Sprachkenntnissen bzw. Bildungsabschlüssen für den Sozialhilfebezug!

Sparen bei vulnerablen Kindern

In der Gesetzes-Beilage zur wirkungsorientierten Folgenabschätzung bei Regelungsvorhaben wird beim Punkt „Sparpotenzial“ zu Kindern sogar explizit darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen wird, dass die „Einsparungen in der Spannbreite von 30 bis 40 Millionen Euro“ hauptsächlich „Familien mit Migrationshintergrund treffen“ sollten, weil darunter „häufiger Mehrkindfamilien“ wären. Diese „Abschätzungen“ zur geplanten Einsparung bei Kindern zeigen, dass insbesondere die Diskriminierung von Kindern mit Migrationshintergrund Ziel des Gesetzes ist. „Bei besonders vulnerablen Kindern aus sozial schwachen Familien sparen zu wollen, ist nicht nur zynisch und rassistisch, sondern letztlich auch sehr teuer für den Zusammenhalt der Gesellschaft“, kritisiert Eraslan-Weninger.

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